Coming-out: Tipps für Eltern von queeren Kindern (Ratgeber 2021)

Coming-out Tipps für Eltern

Wenn du diesen Artikel liest, dann möchtest du wahrscheinlich wissen, wie du dein Kind bei seinem Coming-out unterstützen kannst. Das ist super von dir! 🙂 

Wir werden dir in diesem Ratgeber erklären, wie du deinem Kind in dem oft schwierigen Coming-out Prozess zur Seite stehen kannst - sowohl vor dem eigentlichen Outing, als auch wenn dein Kind sich dir mit seinen Neuigkeiten anvertraut hat.

Grundsätzlich ist es wichtig, dass du verstehst, dass das Coming-out jedes Menschen sehr individuell ist - so auch das von deinem Kind. Ein Outing ist entgegen der häufigen Annahme kein einmaliges Ereignis. Es ist ein Prozess, der dein Kind sein ganzes Leben lang begleitet und begleiten wird. Angefangen mit dem inneren Coming-out (dem Bewusstwerden der eigenen Sexualität, romantischen Orientierung oder Identität), bis hin zu dem Punkt, an dem die Neuigkeiten mit anderen Menschen geteilt werden. 

 

“Ich fühle mich anders, als die Anderen - ich passe nirgendwo so richtig rein!”

 

Oft taucht während der Kindheit schon das Gefühl auf anders zu sein. Meist kann dies aber noch nicht richtig begriffen oder in Worte gefasst werden. Oft beginnen diese Gefühle sogar schon vor dem Kindergarten - deshalb kann ein Coming-out und das Mitteilen dieser Gefühle des Andersseins theoretisch auch schon früh in der Kindheit passieren. Für die meisten queeren Menschen werden diese Gefühle während der Pubertät greifbarer und besser definierbar.

Diese Phase des Bewusstwerdens ist häufig mit Gefühlen von Angst und Nervosität verbunden. Viele fühlen sich isoliert von ihren Mitmenschen, da sie das Gefühl haben anders zu sein und nicht rein zu passen. Kinder, die sich geliebt und wertgeschätzt fühlen (etwas, das du ihnen als Elternteil meistens geben kannst), haben es oft einfacher mit diesen Gefühlen zurecht zu kommen. 

Tipps für das eigene Coming out

Das kannst du als Elternteil für dein Kind tun:

  • Schaffe für dein Kind einen sicheren Ort, an dem es keine Angst haben muss verurteilt oder bewertet zu werden. 

  • Reflektiere über deine eigenen heteronormativen (Die Annahme, dass alle Menschen heterosexuell sind) und cisnormativen (Die Annahmen, dass alle Menschen sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren) Ansichten. Versuche diese Ansichten nicht auf dein Kind zu übertragen. Du wirst ihm damit sonst sehr wahrscheinlich das Gefühl geben, dass etwas mit ihm falsch ist. 

  • Unterstütze dein Kind dabei einen diversen Freundeskreis und ein offenes soziales Umfeld um sich herum aufzubauen.

  • Unterstütze dein Kind auch bei Hobbies & Freizeitaktivitäten, die in der gesellschaftlichen Norm eher dem anderen Geschlecht zugeschrieben werden (z.B. ein Junge darf auch ein Kleid tragen, ein Mädchen darf auch Fußball spielen, etc.).

  • Suche regelmäßig das Gespräch mit deinem Kind und unterhalte dich über Themen, wie Interessen und Freund:innen, aber auch eventuelles Mobbing, das stattfinden könnte.

 

“Ich denke ich bin vielleicht schwul (oder bi oder lesbisch oder trans*), aber ich bin mir nicht sicher und weiß auch nicht, wie ich mich damit fühle …”

 

Sobald das bereits beschriebene Gefühl von “Anderssein” klarer wird, überlegen sich die meist im jugendalter befindlichen Menschen, ob sie vielleicht schwul, lesbisch, bi oder etwas anderes sind. Die Gefühle, die mit diesen Überlegungen einhergehen, sind oft sehr gemischt zwischen Erleichterung, Aufregung und Besorgnis.

Es ist nicht unüblich, dass dein Kind versucht diese Gefühle und Veränderungen zu unterdrücken, um den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen, aus Angst vor Mobbing, oder um die Eltern (dich in diesem Fall) nicht zu enttäuschen. Häufig sind Menschen in dieser Phase mit allem erstmal eine zeitlang komplett überfordert. Hier steigt übrigens auch das Risiko, dass dein Kind Depressionen, Angststörungen oder andere psychische Probleme entwickelt. Dies kann zum Beispiel eine Folge von Selbstisolation sein, aus Angst ausgegrenzt oder geoutet zu werden. Auch Einsamkeit kann eine große Rolle spielen, gerade in Gegenden, in denen es keine LGBTQ+ Angebote (z.B. queere Jugendgruppen) gibt. Eine unterstützende und liebevolle Atmosphäre zuhause, sowie gute Beziehungen zu Freund:innen können deinem Kind helfen besser mit diesen Herausforderungen, die ihm eventuell begegnen, umzugehen.

Coming out in der Schule Pronomen
Auch eine Änderung der Pronomen kann zum Coming-out gehören.

 

“Ich akzeptiere mich so wie ich bin - aber was werden meine Freund:innen und Familie dazu sagen?”

 

Nur weil dein Kind für sich selbst die eigene Sexualität, romantische Orientierung oder Identität akzeptiert heißt das nicht zwangsläufig, dass es auch bereit ist diese Erkenntnis mit anderen Menschen zu teilen. Wann genau dein Kind bereit ist sich vor anderen Menschen oder auch seinen Eltern, dir, zu outen ist sehr individuell. Dein Kind wird sehr wahrscheinlich deine Einstellung gegenüber LGBTQ+ Themen in diese Entscheidung mit einfließen lassen. Versuche immer mal wieder positiv über queere Promis oder generell LGBTQ+ Themen zu sprechen. 

Die Gesellschaft wird immer offener und toleranter gegenüber LGBTQ+ Menschen, deshalb outen sich immer mehr Menschen bereits in einem jungen Alter. Dein Kind wird sich möglicherweise zuerst in Onlinegruppen oder bei Freund:innen, denen sie vertrauen, outen, bevor sie es der Familie und ihren Eltern erzählen. 

 

“Ich habe mich bei dem Großteil meiner Familie und Freund:innen geoutet”

 

Es erfordert extrem viel Mut von einen jungen Menschen sich zu outen, besonders wenn er sich unsicher ist, wie die anderen darauf reagieren werden. Dein Kind wird möglicherweise Angst haben dich zu enttäuschen oder zu verärgern oder in einigen Fällen auch Angst vor körperlicher Gewalt oder einem Rausschmiss haben. Selbstverständlich darfst auch du Zeit zum Verarbeiten der Neuigkeiten brauchen (dein Kind hat schließlich oft Jahre damit verbracht dies ebenfalls zu tun). Das kann von einigen Tagen, bis hin zu Monaten gehen. Auch wenn du länger brauchst das Coming-out deines Kindes zu verarbeiten ist es extrem wichtig, dass du ihm weiterhin deine volle Unterstützung und Aufmerksamkeit gibst. Zeige und sage deinem Kind, dass du es immer noch genauso lieb hast und wertschätzt, wie du es immer getan hast. 

Oft haben es gerade Kinder schwer, die das Gefühl haben, dass ihre Familie spezielle Erwartungen an sie stellt. Enkelkinder in die Familie bringen, endlich mal den ersten Freund oder die erste Freundin mit nach Hause bringen oder die Familie gut nach außen zu präsentieren. Hier ist die Angst, die eigene Familie zu enttäuschen und zu versagen oft besonders groß. 

Nach dem Coming-out, wird dein Kind vermutlich erstmals wirklich offen über seine Gefühle und mögliche Beziehungen mit dir sprechen können. Ein Coming-out ist so gut wie immer mit einem Gefühl von Freiheit und Erleichterung für dein Kind verbunden. Es muss sich nun endlich nicht mehr verstecken und kann sich so verhalten, sprechen, anziehen, usw. wie es sich wohlfühlt.

So können Eltern von queeren Kindern diese unterstützen:

  • Wenn sich dein Kind bei dir outet, dann reagiere verständnisvoll und unterstützend. Solltest du Einwände oder Sorgen haben, über die du unbedingt mit deinem Kind sprechen möchtest, dann mache das am besten in einem separaten späteren Gespräch.

  • Akzeptiere und liebe dein Kind genauso wie es ist. Selbst wenn ihr nicht in allem Übereinstimmt (was völlig okay ist), ist es wichtig, dass dein Kind weiß, dass es immer auf dich zählen kann.

  • Hilf deinem Kind, wenn es von anderen Menschen schlecht behandelt, diskriminiert oder gemobbt wird. Spiele den gesellschaftlichen Druck unter dem dein Kind eventuell leidet auf keinen Fall herunter. Du selbst wirst nie durch etwas Ähnliches gegangen sein, deshalb solltest du auf keinen Fall Ängste und Sorgen, die dein Kind hat, kleinreden. 

  • Sprich dich gegen jegliche Art von queerfeindliche Witzen oder Bemerkungen in deinem Umfeld aus. 

  • Achte auf Anzeichen von psychischen Problemen, wie Depressionen, Angststörungen oder massive Unsicherheiten und handle entsprechend.

  • Bring dein Kind in Kontakt mit queeren Angeboten und Informationsquellen. Es ist wichtig für es zu wissen, dass es nicht alleine ist. 

  • Setze dich für mehr Diversität in deinem Umfeld ein. Füge deiner Buchsammlung mehr Ratgeber über queere Themen hinzu, schaue gemeinsam mit der Familie Filme an, die queere Charaktere enthalten, hänge eine Regenbogenfahne im Fenster auf oder unterstütze (lokale) LGBTQ+ Organisationen. 

  • Unterstütze die Selbstentfaltung deines Kindes. Sprich mit ihm über seinen Kleidungsgeschmack, eventuelle Veränderungen, die es gerne (an sich) machen würde, usw.

  • Hole dir professionelle Unterstützung, solltest du alleine mit diesem Thema überfordert sein. Zu vielen Dingen kannst du auch im Internet bereits viele gute Informationen und Hilfeseiten finden.

 

Noch ein paar Worte zum Abschluss

Selbst wenn du das Coming-out deines Kindes nicht komplett nachvollziehen kannst oder “Einwände” hast, ist es super, super, super wichtig, dass du weiterhin für dein Kind als unterstützendes Elternteil da bist. Von den eigenen Eltern geliebt und supportet zu werden ist gerade während der Coming-out Phase extrem wichtig für dein Kind. Das Gefühl geliebt zu werden ist - wissenschaftlich belegt - für Kinder ein wichtiger Faktor für eine gesunde psychische Entwicklung. Viele Eltern von queeren Kindern brauchen selbst Unterstützung und Beistand um das Coming-out zu verarbeiten. Du musst dich deshalb nicht schlecht oder als Versager:in fühlen - dir Hilfe zu holen, wenn du sie brauchst, ist extrem stark und wird sowohl dir, als auch deinem Kind helfen gemeinsam das Coming-out zu verarbeiten.

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